Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
mittlerweile in aller Munde: Die »irreguläre« oder »illegale Migration«. Einer der neuen Lieblingsbegriffe deutscher Politiker*innen, wenn es darum geht, Geflüchtete zu diskreditieren und Abschottungsphantasien durchzusetzen. Schon 2017 schrieb die AfD in ihrem Papier zur Flüchtlingspolitik davon, »irreguläre Migration über das Mittelmeer« stoppen zu wollen. Seither hat der Begriff seinen Weg in die vermeintliche Mitte der Bundespolitik gefunden. Er fand sogar seine Aufnahme in den Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien. Und spätestens seit die Debatte rund um Flucht und Migration Mitte 2023 Fahrt aufgenommen hat, dient er längst nicht nur FDP, sondern auch SPD und Grünen als Anker, um immer neue Verschärfungen des Asylrechts und Aufrüstungen der Grenzen zu rechtfertigen.
Bloß: Das Ganze ist ein Trugbild. Es wird damit vorgegaukelt, dass Flüchtlinge auf legalem Wege hierher kommen könnten und die »illegalen« Wege nur nutzen würden, weil sie ohnehin keinen Schutzanspruch hätten. Aber aktuell werden über 70 Prozent der inhaltlich bewerteten Asylanträge positiv entschieden – und die überwiegende Mehrheit aller Antragsteller*innen musste auf diese Weise einreisen. Denn die »legalen Wege« existieren de facto nicht.
Über das UN-Resettlement-Programm hat Deutschland für 2022 lediglich 6.000 Plätze bereitgestellt (ob diese überhaupt vollständig genutzt werden konnten, ist zudem unklar), das vor einem Jahr groß angekündigte Bundesaufnahmeprogramm für Afghan*innen hat bislang karge 14 Einreisen zu verzeichnen, andere Aufnahmeprogramme auch der Bundesländer werden teilweise vom Bund abgelehnt oder haben verschwindend geringe Kontingente. Und selbst der Familiennachzug, über den Schutzsuchende legal zu ihren Familien nach Deutschland gelangen könnten, wird – anders als im Koalitionsvertrag versprochen – weiterhin restriktiv praktiziert.
Dabei liegt eigentlich auf der Hand: Niemand würde sich in einem wackligen Schlauchboot in Lebensgefahr begeben, sich von brutalen Grenzschützern verprügeln lassen, in überfüllten Lastwagen durch Europa fahren und für all das auch noch tausende an Euros bezahlen, wenn er oder sie sicher mit dem Flugzeug einreisen könnte.
Dazu kommt: Wenn von einer »illegalen« Einreise gesprochen wird, schwingt mit, dass die Menschen dabei eine Straftat begehen würden und am besten sofort wieder abgeschoben gehören. Dabei ist zum Beispiel in Artikel 31 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), die Deutschland und 148 weitere Staaten unterzeichnet haben, geregelt, dass fliehende Menschen nicht wegen einer unerlaubten Einreise bestraft werden dürfen. Damit ist eine Einreise, die nicht bestraft wird, auch keine Straftat. Dieses gefährliche Framing führt nicht nur zu mehr Angst und Ablehnung von Schutzsuchenden, sondern auch insgesamt zu einer Entmenschlichung. Mit »Geflüchteten« fühlen viele Menschen mit. Nennt man sie hingegen »irreguläre Migranten«, zielt das darauf ab, dass die Bevölkerung vermeintliche Straftäter*innen anstatt fliehender Menschen vor dem geistigen Auge hat. Sympathien schwinden, die Akzeptanz für weitere Verschärfungen im Asylrecht steigt.
Rechte Parteien schwächt man nicht durch die Übernahme ihrer Narrative. Ganz im Gegenteil.
Zu unserem nächsten Monatstreffen, am Mittwoch, den 13. Dezember um 19:30 im Forum Ferdinandstraße 17 laden wir herzlich ein und schlagen folgende Tagesordnung vor:
Aktuelle Entwicklungen in der Flüchtlingspolitik
Einzelfallberatung
Verschiedenes
Mit herzlichen Grüßen
Reinhard Borgmeier
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
Realitätsferne Debatte um Ausreisepflichtige
Der Diskurs um mehr Abschiebungen und die vorgesehenen Verschärfungen im aktuellen Gesetzentwurf des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) sind angesichts der aktuell geringen Zahl an Ausreisepflichtigen sowie der bereits bestehenden harten Abschiebepraxis nicht nur völlig losgelöst von der Realität. Sie gehen auch an den tatsächlichen Bedarfen von Kommunen und Asylbewerber*innen und somit an echten Lösungen für bestehende Herausforderungen vorbei.
Aktuell werden mehr als 70 Prozent der Schutzsuchenden, die in Deutschland ein Asylverfahren durchlaufen, anerkannt. Für sie braucht es langfristig durchdachte politische Strategien, damit der Zugang zu bezahlbaren Wohnungen sowie zu Sprachkursen und zum Arbeitsmarkt sichergestellt wird. Das wären Lösungen, die den tatsächlichen Problemen gerecht werden, die den Menschen ein würdiges und selbstbestimmtes Leben ermöglichen und die den rechten Parolen langfristig den Wind aus den Segeln nehmen. Politiker*innen konzentrieren sich derweil aber lieber auf eine viel kleinere Gruppe der Geflüchteten, nämlich auf die Ausreisepflichtigen. Dabei bestätigen die aktuellen Zahlen die langjährigen Forderungen von PRO ASYL: Nicht die ständig herbeigerufene Abschiebungsoffensive, sondern nur eine konsequente und großzügige Anwendung des Chancen-Aufenthaltsrechts und anderer Bleiberechtsregelungen senken die Zahl der Ausreisepflichtigen und Geduldeten wirksam.
Lediglich neun Prozent der aktuell rund 225.000 geduldeten Menschen wird vorgeworfen, ihre eigene Abschiebung zu verhindern, sie erhalten die »Duldung light«. Viele der restlichen 91 Prozent können aus durch das Gesetz geschützten Gründen, wie zum Beispiel aus humanitären Gründen, nicht abgeschoben werden. Die Zahl der Abschiebungen ließe sich selbst durch die restriktivsten neuen Abschieberegeln lediglich um wenige Hundert.
In einem Antrag der CDU/CSU kopiert die Fraktion rechtspopulistische Forderungen. Das Ministerium von Nancy Faeser (SPD) greift diese auf und legte am 12.10.2023 einen Gesetzesentwurf zur »Verbesserung der Rückführung« vor. Darin sind zum Thema Abschiebungen viele rechtlich fragwürdige Ansätze enthalten, darunter massive Grundrechtseinschränkungen, neue Straftatbestände für Geflüchtete und erweiterte Kompetenzen der Polizei. Bereits jetzt bestehen Rechtsverletzungen bei Abschiebungen. CDU-Vize Jens Spahn will sogar physische Gewalt an den Außengrenzen einsetzen.
Der Flüchtlingsrat hat jetzt auch endlich eine eigene Homepage, die sich jetzt langsam entwickelt: www.fluechtlingsrat-paderborn.de
Zu unserem nächsten Monatstreffen, am Mittwoch, den 08. November um 19:30 im Forum Ferdinandstraße 17 laden wir herzlich ein und schlagen folgende Tagesordnung vor:
Aktuelle Entwicklungen in der Flüchtlingspolitik
Einzelfallberatung
Verschiedenes
Mit herzlichen Grüßen
Reinhard Borgmeier
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
Aktuell scheint es in der Debatte um die Aufnahme schutzsuchender Menschen kein Halten mehr zu geben, von der Abschaffung des Asylrechts bis zu Rufen nach der Akzeptanz von ‚brutal klingender Politik‘ ist alles dabei. Kein Tag vergeht, ohne neue Forderungen. Die deutsche Politik verliert aktuell ihren menschenrechtlichen Kompass.
Dass was an Vorschlägen vorgelegt wird ist ein Abschottungs- und Abschreckungskatalog sondergleichen. Mit Menschenrechten oder Europarecht haben diese Vorschläge nichts zu tun, doch scheint dies auch keine Kategorie zu sein, an der sich die Parteien noch messen lassen wollen. Erschreckend ist aber auch, dass viele der Vorschläge aus dem konservativen Lager auch Anklang in der regierenden ‚Fortschrittskoalition‘ finden, die sich eigentlich einen Neuanfang in der Migrationspolitik auf die Fahnen geschrieben hatte. Auch europäisch gesehen gibt es einen erschreckenden Verlust an Mitgefühl und dem Einstehen für Menschenrechte und Solidarität. Während in der Vergangenheit Katastrophen wie das Kentern von Flüchtlingsbooten europäische Regierungen zumindest zwischenzeitlich zum Handeln gebracht haben, war in diesem Jahr nach der Schiffskatastrophe von Pylos mit über 600 Toten schon nach wenigen Tagen ‚business as usual‘ – Aufklärung der Umstände unerwünscht.
Mit Blick auf Lampedusa wird aktuell ein Bild der Überforderung und Krise inszeniert, mit dem die postfaschistische Präsidentin Meloni nun die anderen europäischen Regierungen unter Druck setzt, um den Deal mit Tunesien und schärfere Asylregeln durchzusetzen. Anstatt durch Solidarität und Aufnahme von Flüchtlingen Druck aus der Situation zu nehmen, gehen die anderen Regierungen aus Angst vor rechtspopulistischen Parteien in ihren eigenen Ländern dieser Strategie auf den Leim. Wir erleben ein Erstarken von rechtsextremen Parteien in Europa, die das Flucht – und Migrationsthema bewusst für sich instrumentalisieren. Anstatt dem deutlich Paroli zu bieten knicken die meisten Regierungen aktuell ein – und setzen damit auch ein demokratisches Europa aufs Spiel, dass Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit als Fundament hat und diese auch verteidigt.
Zu unserem nächsten Monatstreffen, am Mittwoch, den 11. Oktober um 19:30 im Forum Ferdinandstraße 17 laden wir herzlich ein und schlagen folgende Tagesordnung vor:
Einzelfallberatung
Aktuelle politische Situation
Auswertung Tag des Flüchtlings
Verschiedenes (u.a Homepage)
Mit herzlichen Grüßen
Reinhard Borgmeier
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
Keine Abschiebungen in den Irak
Der Flüchtlingsrat NRW kritisiert die verstärkten Abschiebungsbemühungen der Ausländerbehörden NRWs in den Irak. Der seit 2007 in NRW bestehende weitgehende Abschiebungsstopp für den Irak, findet, wie erst vor Kurzem bekannt geworden ist, laut einem Erlass vom 07.05.2021 des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration keine Anwendung mehr. Bis zum jetzigen Zeitpunkt wurde von der dadurch geschaffenen grundsätzlichen Möglichkeit der Abschiebung allerdings kein Gebrauch gemacht. Der Kreis Paderborn macht davon jetzt Gebrauch. Der Flüchtlingsrat NRW übt zudem Kritik an der Landesregierung, da diese weder über den Erlass aus Mai 2021 informiert noch auf aktuelle Änderungen der Abschiebungsmöglichkeiten hingewiesen bzw. sie zu unterbinden versucht hat.
Das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) hat einen Entwurf eines Gesetzes zur Bestimmung Georgiens und der Republik Moldau zu „sicheren Herkunftsstaaten“ vorgelegt. Pro Asyl führt in einer Stellungnahme aus, dass der Entwurf verfassungswidrig sei. Unter anderem sei die für die geplante Einstufung notwendige Sicherheit im ganzen Land weder in Georgien noch in Moldau gegeben, da es in beiden Ländern abtrünnige Regionen gebe, die von Russland kontrolliert würden. Zudem werde im Gesetzentwurf nicht auf die Gefahr des zunehmenden russischen Einflusses eingegangen. Auch die geänderte geopolitische Gefahrenlage seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine werde nicht berücksichtigt. Außerdem würden jüngste Rückschritte bezüglich Demokratie und Rechtsstaat in Georgien keine Beachtung finden.
Pro Asyl begrüßt die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsgesetzes, kritisiert jedoch Verschärfungen und verpasste Chancen für weitere Verbesserungen, die laut der Organisation der geplanten „Einbürgerungsoffensive“ im Wege stehen werden. Problematisch seien insbesondere die verschärften Anforderungen an die Lebensunterhaltssicherung, durch die Personen, die nicht in Vollzeit arbeiten könnten, wie Alleinerziehende, Menschen in Ausbildung und Behinderte, von einem Einbürgerungsanspruch ausgeschlossen würden. Durch ein Festhalten an der Passbeschaffungspflicht auch für Flüchtlinge für die Einbürgerung würden zudem Staatsbürger*nnen aus autokratischen Staaten, wie z.B. Syrien, gezwungen, in die Botschaft des Verfolgungsstaates zu gehen.
Zu unserem nächsten Monatstreffen, am Mittwoch, den 13. September um 19:30 im Forum Ferdinandstraße 17 laden wir herzlich ein und schlagen folgende Tagesordnung vor:
Einzelfallberatung
Aktuelle politische Situation
Aktueller Stand zum Tag des Flüchtlings
Verschiedenes (u.a Homepage)
Mit herzlichen Grüßen
Reinhard Borgmeier
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
Tunesien und die EU haben eine Absichtserklärung zur Fluchtabwehr unterzeichnet. Und mit keinem Wort die rechtswidrigen Massenabschiebungen durch tunesische Behörden und die massive Gewalt gegen Flüchtlinge und Migrant*innen erwähnt. Die EU zeigt erneut, dass sie bereit ist, wegzusehen, solange weniger Flüchtlinge in Europa ankommen.
Die Inhalte des unterzeichneten Memorandums of Understanding bleiben recht vage: Migration wird als eine von fünf Säulen des Pakets genannt, für die zunächst 105 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Hier setzt der Deal primär auf die »Bekämpfung der irregulären Migration«, eine verstärkte »operative Partnerschaft gegen Menschenschmuggel und Menschenhandel«, die »Verbesserung der Koordinierung von Such- und Rettungsaktionen auf See«, eine »wirksame Grenzverwaltung« sowie auf die »Entwicklung eines Systems zur Identifizierung und Rückführung irregulärer Migrant*innen« aus Tunesien in ihre Herkunftsländer. Von legalen Fluchtwegen für Schutzsuchende im tunesischen Transit ist hingegen nirgendwo die Rede.
Insgesamt lässt sich das Paket als ein Sammelsurium altbekannter Instrumente des EUAbschottungsregimes lesen. Unter dem Deckmantel des Rettens von Menschenleben werden die Grenzauslagerung und die Verhinderung von Flucht und Migration vorangetrieben. Die EU entledigt sich ihrer Verantwortung, indem sie Diktatoren zu Türstehern Europas macht.
80 Schutzsuchende, die von tunesischen Behörden ohne Wasser und Nahrung in der Wüste ausgesetzt worden waren, wurden nun von libyschen Grenzbeamten aufgegriffen. Unter den Menschen befinden sich auch Frauen, Kinder und Babys. Die EU-Kommission gibt an, mit dem EU-Tunesien-Deal weitere Tote auf dem Mittelmeer verhindern zu wollen. Dass Schutzsuchende stattdessen in der Sahara umkommen, scheint sie jedoch nicht zu stören.
Zu unserem nächsten Monatstreffen, am Mittwoch, den 09. August um 19:30 im Forum Ferdinandstraße 17 laden wir herzlich ein und schlagen folgende Tagesordnung vor:
Einzelfallberatung
Aktuelle politische Situation
Aktueller Stand zum Tag des Flüchtlings
Verschiedenes (u.a Homepage)
Mit herzlichen Grüßen
Reinhard Borgmeier
Juli 2023 (kein Monatstreffen)
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
30 Jahre »Asylkompromiss«: Ein Grundrecht wird ausgehöhlt
CDU/CSU, FDP und SPD schlossen vor rund 30 Jahren den sogenannten »Asylkompromiss« - trotz aller Proteste aus der Zivilgesellschaft. Am 26. Mai 1993 verabschiedete der Deutsche Bundestag eine Änderung in Artikel 16 des Grundgesetzes (heute Art. 16a). Das Asylrecht für politisch Verfolgte wurde damit ausgehöhlt. Fortan sollte niemand, der sich vorher in einem »sicheren Drittstaat« aufgehalten hat, darauf Anspruch erheben können. Da Deutschland umgeben von solchen Staaten ist, besteht diese Möglichkeit also bei einer Einreise auf dem Landweg de facto nicht mehr. Vorangegangen waren dem »Asylkompromiss« monatelange Debatten, da für eine Verfassungsänderung die Stimmen der Regierungskoalition aus CDU / FDP nicht ausreichten, sondern auch die Stimmen der SPD benötigt wurden. Nach vielen innerparteilichen Streitigkeiten beschlossen die Sozialdemokraten schließlich im Dezember 1992 auf einem Sonderparteitag, dem zuzustimmen.
Die gesellschaftliche Debatte damals war riesig. Große Pro/Contra – Diskussionen in Zeitungen, parteiinterne Streitigkeiten und auch viele Prominente, die sich damals dem Aufruf von PRO ASYL angeschlossen hatten. Herbert Grönemeyer, Günter Grass, Wolfgang Niedecken, Dr. Jürgen Habermas, Hella von Sinnen… um nur einige der Erstunterzeichner*innen des Aufrufs »Nein zum Bonner Asylkompromiss« zu nennen, der letztlich von rund 100.000 Menschen unterschrieben wurde. Am 14.11. rief ein Bündnis aus der Friedensbewegung, von Menschenrechtsorganisationen und von PRO ASYL zu einer großen Demonstration vor dem anstehenden Sonderparteitag der SPD auf. Im Bonner Hofgarten kamen Hunderttausende zusammen.
Die finale Abstimmung im Bundestag fand am 26. Mai 1993 statt. Dort wurde der ausgehandelte Asylkompromiss nach 14-stündiger Debatte mit den Stimmen vieler SPD-Abgeordneter beschlossen. Auch an jenem Tag gab es aber etliche Proteste vor dem Parlament, die Zugangswege zum Bundestag wurden blockiert, einige Parlamentarier*innen mussten gar per Hubschrauber eingeflogen werden oder kamen nur per Schiff zum Tagungsort.
Wenige Tage nach der Grundgesetzänderung brannte in Solingen das Haus der türkischen Familie Genç. Fünf Menschen starben bei diesem rassistischen Brandanschlag.
Zu unserem nächsten Monatstreffen, am Mittwoch, den 14. Juni um 19:30 im Forum Ferdinandstraße 17 laden wir herzlich ein und schlagen folgende Tagesordnung vor:
Einzelfallberatung
Aktuelle politische Situation
Aktueller Stand zum Tag des Flüchtlings
Verschiedenes (u.a Homepage)
Mit herzlichen Grüßen
Reinhard Borgmeier
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
Die Zahl der nach Deutschland Geflüchteten ist vergleichsweise hoch und schon wird wieder eine Asyldebatte losgetreten, die den Geflüchteten das Recht auf Schutz abspricht. CDU/CSU rufen nach Grenzschließungen, Stopp von Aufnahmen und nach mehr Abschiebungen. Die Vorschläge der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zielen auf die Aushebelung des Rechts auf Asyl und die Aufweichung der EMRK ab, die auch Abschiebungen ins Elend innerhalb der EU verbietet.
Die meisten Asylsuchenden bekommen Schutz und das vermeintliche Abschiebungsdefizit ist komplexer als die Schlagzeilen suggerieren. Ja, es kommen aktuell viele schutzsuchende Menschen nach Deutschland. Nein, das ist kein Grund zur Panik. Es ist insbesondere kein Grund, um Grenzschließungen, Abschottung und »konsequente Rückführungen« zu fordern, wie die Union um Friedrich Merz es aktuell tut – denn so wird Menschen auf der Flucht der Weg in die Sicherheit versperrt. Im letzten Jahr hat Deutschland 1,2 Millionen geflüchtete Menschen aufgenommen. Rund eine Million flohen vor den russischen Bomben aus der Ukraine. 200.000 Menschen stellten einen Asylantrag – die Hälfte von ihnen kam aus Syrien und Afghanistan, wo die Regime bekanntermaßen schwere Menschenrechtsverletzungen verüben. In den ersten drei Monaten 2023 haben rund 81.000 Menschen erstmalig Asyl in Deutschland beantragt.
Die Hälfte der Asylsuchenden in Deutschland kommt allein aus den beiden Staaten Syrien und Afghanistan. In den Top 10 der Asyl-Herkunftsländer sind mit der Türkei, dem Irak, dem Iran, oder Somalia und Eritrea weitere Länder zu finden, in denen bewaffnete Auseinandersetzungen stattfinden oder autoritäre Regimes herrschen. Demzufolge lag die Schutzquote trotz weiterhin restriktiver Entscheidungspraxis beim BAMF im vergangenen Jahr bei 72 %, im laufenden Jahr ist sie mit 71 % nahezu unverändert. Fast drei von vier Asylsuchenden erhalten also Schutz vom BAMF. Darin nicht eingerechnet sind die vielen Tausend Menschen, die vom BAMF abgelehnt und erst später von den Gerichten als schutzberechtigt anerkannt werden. Mehr als ein Drittel der von Gerichten inhaltlich überprüften BAMF-Bescheide erwies sich 2022 als falsch und wurde aufgehoben.
Was „Eindämmung illegaler Migration“ genannt wird, bedeutet also viel mehr, Schutzbedürftigen den Schutz zu verweigern. Wenn die Vorschläge umgesetzt werden, heißt das, dass Menschen, die vor Verfolgung, schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen oder Kriegen fliehen, in den meisten Fällen den Zugang zum Asylverfahren und zum benötigten Schutz verweigert wird. Die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine haben das Glück, kein Visum für die Einreise zu benötigen, sonst wären auch sie möglicherweise Teil der Debatte um die Eindämmung der „illegalen Migration“.
Zu unserem nächsten Monatstreffen, am Mittwoch, den 10. Mai um 19:30 im Forum Ferdinandstraße 17 laden wir herzlich ein und schlagen folgende Tagesordnung vor:
Einzelfallberatung
Aktuelle politische Situation
Aktueller Stand zum Tag des Flüchtlings
Verschiedenes (u.a Homepage)
Mit herzlichen Grüßen
Reinhard Borgmeier
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde
„Das Ende des Flüchtlingsschutzes in der EU droht“, warnte Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von PRO ASYL. „Die EU entfernt sich rasant davon, ein Raum der Freiheit und des Rechts zu sein. Aktuell wird ernsthaft zwischen den Mitgliedstaaten diskutiert, Flüchtlinge in außereuropäische Staaten zu schicken, die sie noch nie betreten haben. Flüchtlingsschutz müssen sie dort nicht bekommen können und die Drittstaaten auch nur eine minimale Versorgung garantieren. Menschenrechtswidrige Abschiebungen sind so vorprogrammiert. Die Bundesregierung muss sich klar gegen diese schockierenden Auslagerungsphantasien stellen!“, fordert Judith.
Rechtlich geht es um Folgendes: Im Rahmen der Reform des europäischen Asylsystems soll eine Ausweitung des Konzepts der sogenannten sicheren Drittstaaten stattfinden. Ziel der Prüfung im Asylverfahren ist dann primär die Frage, ob nicht ein außereuropäischer Drittstaat für die Schutzsuchenden „sicher“ sei, so dass sofort dahin abgeschoben werden kann, ohne den Asylantrag überhaupt inhaltlich zu prüfen. Die Anforderungen daran, was als „sicher“ gilt, sollen laut aktuellen Plänen im Rat der EU massiv gesenkt werden. So müsste nicht einmal mehr Voraussetzung sein, dass die geflüchtete Person sich je in dem Land aufgehalten hat und dass sie dort einen Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention bekommen kann. Außerdem würden sichere Teilgebiete reichen, um Menschen in das Land abzuschieben. Dabei wird es aber die Betroffenen auferlegt darzulegen, dass das Land – das sie gegebenenfalls gar nicht kennen – für sie nicht sicher ist.
Effektiv gegen ihre Ablehnung wehren könnten sich die schutzsuchenden Menschen im neuen System auch nicht. So gehört zur derzeit diskutierten Reform des europäischen Asylsystems eine neue Asylverfahrensverordnung mit verpflichtenden Grenzverfahren. Das würde bedeuten, dass die Schutzsuchenden kein EU-Land betreten dürfen, sondern an den Außengrenzen festgehalten werden, solange ihre Asylanträge geprüft würden – weitgehend isoliert, abgeschnitten von Hilfe und Beratung und absehbar unter haftähnlichen Bedingungen. Auch der Rechtsschutz soll stark eingeschränkt werden.
Der katastrophale EU-Vorschlag orientiert sich an der ‚australischen Lösung‘. Australien schickt seit 2012 per Boot ankommende Schutzsuchende nach Papua-Neuginea und Nauru, wobei ersteres Land die Zusammenarbeit mittlerweile aufgekündigt hat. Diese Politik wird seit Jahren von Menschenrechtler*innen massiv kritisiert, auch weil es nach der Rückführungen zu unmenschlicher Behandlung, Misshandlungen und Übergriffen sowie fehlender medizinischer Behandlung gekommen ist.
Die Bundesregierung hat es sich im Koalitionsvertrag zum Ziel gemacht, ‚die illegalen Zurückweisungen zu beenden‘. Bislang fehlt es hierfür an politischen Initiativen.
Im April findet wegen der Osterferien kein Monatstreffen statt.
Mit herzlichen Grüßen
Reinhard Borgmeier
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
Obdachlose Eltern, verwaiste Kinder, zerstörte Existenzen. Darunter leiden nach dem Erdbeben türkische Staatsangehörige ebenso wie Flüchtlinge. Deshalb müssen alle in Deutschland Verwandte zu sich einladen dürfen. Eine Unterscheidung nach Nationalität und Pass darf es in dieser Katastrophe nicht geben.
Nach den neuen Regelungen dürfen deutsche Staatsangehörige und Personen mit dauerhaftem deutschem Aufenthaltstitel ihre Angehörigen ersten und zweiten Grades für 90 Tage nach Deutschland einladen, wenn sie eine Verpflichtungserklärung unterschreiben – das gilt aber nur für türkische Staatsangehörige und nicht für die Zehntausenden von Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern, die im türkisch-syrischen Erdbebengebiet auf beiden Seiten der Grenze leben.
Deshalb greifen diese Erleichterungen viel zu kurz. Eine Unterscheidung nach Nationalität und Pass darf es in dieser Katastrophe nicht geben, auch den schon zuvor von Flucht, Vertreibung und Not betroffen Schutzsuchenden muss Deutschland helfen. Deshalb müssen die deutschen Behörden unbürokratische Visumsverfahren auch für Syrer*innen sowie andere Geflüchtete in der Türkei mit Angehörigen in Deutschland installieren. Das hatte das Auswärtige Amt auch am 9. Februar auf seiner Homepage noch in Aussicht gestellt in dem Sinne, dass die Visastellen die schwerwiegende humanitäre Situation auch für syrische Antragsteller*innen mit Familienangehörigen in Deutschland berücksichtigen werden – doch wenig später verschwanden diese Formulierungen wieder.
Und auch die Bedingungen für die Visa für türkische Staatsbürger*innen müssen deutlich verbessert werden, zum Beispiel »Visa on arrival«, eine Ausweitung des Verwandschaftsgrades zum Beispiel für Nichten und Neffen, wenn diese Waisen geworden sind, und kulante Regelungen bei der Höhe des Einkommens für die in Deutschland lebenden Verwandten.
Zudem müssen sich die Bundesländer darauf einigen, nicht in die Türkei abzuschieben. Bei einer Katastrophe dieses Ausmaßes werden Millionen in der Türkei eine neue Lebensperspektive suchen. In so eine Situation darf aus Deutschland nicht abgeschoben werden.
Zu unserem nächsten Monatstreffen, am Mittwoch, den 08. März um 19:30 im Forum Ferdinandstraße 17 laden wir herzlich ein und schlagen folgende Tagesordnung vor:
Einzelfallberatung
Aktuelle politische Situation - Flüchtlinge aus den Erdbebengebieten
Aktueller Stand zum Tag des Flüchtlings
Verschiedenes
Mit herzlichen Grüßen
Reinhard Borgmeier
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
05.01.23 Ende Dezember ist das Gesetz zum „Chancen-Aufenthaltsrecht“ im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden, damit tritt das Gesetz zum 01.01.2023 in Kraft. Für viele ist dies nach Jahren der Duldung eine Chance für einen sicheren Aufenthalt – auch wenn die Gefahr des Rückfalls in die Duldung besteht. Auf den letzten Metern wurde der Stichtag verschoben und das Aufenthaltsrecht verlängert. Doch für diese Verbesserungen gibt es Nachteile für Jugendliche.
Die Verschiebung des Stichtages auf den 31. Oktober 2022 hat zudem einen hohen Preis: Die FDP hat im Gegenzug eine restriktive Änderung des § 25a Aufenthaltsgesetz durchgesetzt. Die Bleiberechtsregelung des § 25a Aufenthaltsgesetz dient– wie schon die gesetzliche Überschrift belegt – dazu, gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden (künftig: jungen Erwachsenen) gerade wegen der in Deutschland erbrachten Integrationsleistungen ein Bleiberecht zu gewähren. Verlangt § 25a Aufenthaltsgesetz neben Integrationsleistungen wie beispielsweise einen erfolgreichen Schulbesuch bislang einen vierjährigen (künftig: dreijährigen) erlaubten, geduldeten oder gestatteten Aufenthalt im Bundesgebiet und nur im Zeitpunkt der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis den Besitz einer Duldung, müssen die jungen Leute nun eine weitere Voraussetzung erfüllen: Sie müssen künftig in dem der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vorangehenden ein Jahr durchweg geduldet sein.
Es gibt bereits eine ganze Reihe Materialien zu den kommenden Neuregelungen beim „ChancenAufenthaltsrecht“ und den anderen Bleiberechtsregelungen: – Das BMI hat am 23. Dezember 2022 Anwendungshinweise zum „Chancen-Aufenthaltsrecht“ herausgegeben. Außerdem hat das BMI ein Merkblatt für Inhaber*innen der neuen Aufenthaltserlaubnis nach §104c AufenthG veröffentlicht. Darin sind Hinweise zu den Anforderungen an den späteren Übergang in §25a/b (z.B. Lebensunterhaltssicherung, Sprachkenntnisse usw.) enthalten. – Die Diakonie Deutschland hat erste Arbeitshilfen zu den geänderten Bleiberechtsregelungen für die Beratungspraxis erstellt:
Der Flüchtlingsrat bietet Beratung und Schulung für interessierte Gruppen an. Bei Bedarf bitte melden.
Allen Mitgliedern, Freund*innen und Unterstützer*innen des Flüchtlingsrats die besten Wünsche für das neue Jahr und einen erfolgreichen Start.
Zu unserem nächsten Monatstreffen, am Mittwoch, den 11. Januar um 19:30 im Forum Ferdinandstraße 17 laden wir herzlich ein und schlagen folgende Tagesordnung vor:
Einzelfallberatung
Aktuelle politische Situation
Planung JHV Februar 2023
Verschiedenes
Mit herzlichen Grüßen
Reinhard Borgmeier